
Bäm, da war er, der gefürchtete Anruf. Ich sitze im Büro und auf meinem Handydisplay erscheint „SCHULE“. Das löst bei mir immer sofort einen Sturzbach aus Angstszenarien aus: Kind hat sich etwas gebrochen, hat eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde, gekotzt, Fieber – oder eben: Kontakt zu einer positiv auf COVID19 getesteten Person. Jackpot. In der Hausaufgabengruppe des einen Minis hat sich ein Kind infiziert. Ich möge doch meines bitte umgehend abholen und in vierzehntägige Quarantäne stecken.
Dank eines Zeitungsartikels von vor einigen Wochen von einer leidgeplagten Berliner Mutter weiß ich schon Bescheid: der Rest der Familie ist tatsächlich nicht betroffen, wir dürfen weiterhin raus und der Zwillingsbruder auch in die Schule – was wir aber nicht riskieren wollen und ihn in Absprache mit der (dankbaren) Lehrerin ebenfalls mit nach Hause nehmen.
Wegen eines familiären Notfalls muss der Gatte allerdings weg, will sich aber nicht verantwortungslos verhalten und versucht, noch einen Test auf die Schnelle zu bekommen. Für knapp 200 Euro soll das in einem Zentrum am Flughafen möglich sein, wird ihm telefonisch gesagt. Als er dort vor Ort sein Problem schildert, wird ihm der Test verweigert – er sei ja schließlich Kontaktperson zweiten Grades, das wäre zu risikobehaftet. Aha. Getestet wird man dort nur, wenn man also definitiv gesund ist? Als möglicherweise, wenn auch nur mit geringer Chance, Infizierter ist es demnach dann also besser, sich ungetestet in der Öffentlichkeit zu bewegen. Gibt ja auch vom Gesundheitsamt dahingehend keine Auflagen für symptomlose Kontaktpersonen II. Apropos: es ist Freitagabend, der Anruf der Schule kam gestern Mittag. Vom Amt – nichts.
Aktuell sind in über 40 Schulen Kinder in Quarantäne. Oder eben nicht, weil das Gesundheitsamt keine Kapazitäten für die nötigen Anrufe hat. Denn heißt das eigentlich, dass wir ohne offizielle Weisung nicht womöglich gar nicht daran gebunden sind? Natürlich halten wir uns strikt daran, aber es scheint ja genügend Leute zu geben, die das ohnehin nicht sonderlich tangiert.
Die Quarantäne ist übrigens auch nicht automatisch nach 14 Tagen vorüber, geschweige denn mit Vorweisen eines negativen Tests. Nein, die zwei Wochen müssen abgesessen werden und danach vom Amt auch wieder aufgehoben werden. (Edit: ich habe eben immerhin online auf der Seite der Süddeutschen eine Liste der betroffenen Schulen inklusive der angesetzten Dauer der einzelnen Quarantänen gefunden).
Tja, da saß ich also nun mit zwei heulenden Kindern in dem Scherbenhaufen des Bisschens Normalität, das ich mir gerade erst wieder mühsam zusammen gekratzt hatte und habe erstmal mitgeheult. Und mir dann mittags einen wirklich großen Gin Tonic gemacht. Meine Freundin sagte, das wäre völlig okay, hier in Bayern könnte ich den auch morgens schon trinken. Frühschoppen. Der Zeitpunkt jedenfalls war auch wegen der anderen familiären Sache desaströs. Und, ach ja – die Jungs haben nächste Woche Geburtstag. Hurra. Die Party ist sowieso von Woche zu Woche durch uns geschrumpft worden, der letzte Stand war schon ohne Freunde, aber immerhin mit Opa und im Legoland. Und jetzt? Nix.
Aber wenigstens habe ich schon eine Torte bestellt. Eigentlich, weil ich keine Lust auf diese Küchenschlacht hatte (ich meine, die Kinder haben ja inzwischen Ansprüche…, die denen von Backshows im TV ähneln. „Mach mal bitte drölfzig Ninjago-Cupcakes in Yves-Klein-Blau mit der neuen Uniform, nein, der neuen, und dem Helm mit diesem Symbol in Gold und den Schlangen und dem bösen Superschurken auf einer dreistöckigen Torte.“ So in etwa.) Letztes Jahr wollte ich mich nur auf die Optik konzentrieren und habe als Basis für den ganzen Fondant-Mist obendrauf eine Backmischung ‚Funfetti‘ genommen, was geil aussah, ich selbst aber auf keinen Fall gegessen hätte. Und was war? Wochen später erzählen mir die Jungs, dass sie mit einem ihrer Freunde Streit hatten und dieser in seiner Schimpftirade auch meinen Kuchen als „hat scheiße geschmeckt“ beleidigt hätte. Rotzlöffel. Muss ich noch sagen, dass ich ihn nicht mehr leiden kann?
Passiert mir dieses Jahr jedenfalls nicht mehr. Gekaufte Torte, keine Gäste. Zumindest für mich akzeptable Umstände. Allerdings stelle ich mir nun die nächsten beiden Wochen vor und bin kurz vor einer Ohnmacht. Was mich auch prompt dazu bewogen hat, – oh Gott, ich traue mich kaum, es niederzuschreiben – gestern noch unüberlegt, aber dafür für teures, teures Geld eine Spielekonsole zu bestellen. Ich weiß, ich weiß. Aber ernsthaft: zwei Wochen eingesperrte Kinder, die auch sonst schon knapp vor ADHS stehen?! Gnnaaahhh.
Ich halte euch auf dem Laufenden… falls ich nicht durchdrehen sollte.